Serviceproduktisierung

Vorwort

Eine große Herausforderung von Forschungsprojekten liegt in der Überführung der in den Modellversuchen entwickelten Produkte und Dienstleistungen in marktfähige Angebote, welche auch nach Projektende genutzt werden können. Die Arbeitsgruppe der Fakultät Sozialwesen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart richtet den Fokus unter dem Stichwort »Service-Produktisierung« auf eine Analyse und Systematisierung der in den Gesundheits- und Dienstleistungsregionen entstandenen Produkte und Dienstleistungen. Dabei werden im Wesentlichen zwei Fragestellungen verfolgt:

  1. Welche Produkte und Dienstleistungen sind in den Gesundheits- und Dienstleistungsregionen entstanden?
  2. Wie gelingt es, aus Erprobungen marktfähige Produkte zu machen und diese dauerhaft zu implementieren?

Basierend auf den empirischen Daten werden auf den folgenden Seiten die Kernthemen „Produkte, Dienstleistungen (Services), Hybride Leistungsbündel“, „Service-Design und Service-Produktisierung“ sowie „Service-Management und Rollout“ dargestellt. Die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Analysen bilden nicht nur das Leistungsgeschehen in den Modellregionen ab, sondern liefern darüber hinaus wertvolle Hinweise für Akteure aus dem nicht-geförderten Raum, die ein regionales Gesundheits- und Dienstleistungsnetzwerk aufbauen und etablieren möchten.

Gesundheitsversorgung im Netzwerk - Neue Modelle erfordern neue Produkte

In den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren wird Deutsch­land einen weltweiten Spitzenplatz unter den Ländern mit der ältesten Bevölkerung einnehmen. Wie die aktuelle 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung zeigt, steigt der Anteil der 65-Jährigen und älteren bis zum Jahr 2060 von 39% (2015) auf 49% an[1]; gleichzeitig sinkt die Bevölkerungszahl insgesamt. Dieser demographische Wandel führt zu »geradezu tekto­nischen Verschiebungen in fast allen Bereichen des gesell­schaftlichen Zusammenseins«, wie es Hanno Beck in der FAZ vom 19.05.2003 treffend beschreibt: Denn »egal, ob man das Alter positiv konnotiert, ‚den Jahren Leben gibt‘, die ‚fitten, aktiven Senioren von heute‘ anspricht und die ‚best ager‘ als zahlungskräftige Konsumenten umwirbt oder aber die ‚Gesellschaft des langen Lebens‘ in der ‚De­mografiefalle‘ wähnt, die von alten Menschen nahezu ‚überrollt‘ wird - mit dem demographischen Wandel sieht sich unsere Gesellschaft einem Phänomen gegenüber, für das sie keinerlei historische Erfahrungswerte hat, kein kollektives Gedächtnis und keine kulturellen, ökonomi­schen, politischen oder sozialen Handlungsmuster«[2].

Die Dynamik des Wandels umfasst selbstverständlich auch die großen Themen Gesundheit, Prävention und Pflege. Ein deutlicher Gewinn an Lebensjahren, ein höherer Le­bensstandard, medizinisch-technischer Fortschritt sowie Innovationen im Arzneimittelbereich und der Medizintech­nik stehen auf der Haben-Seite zu Buche. Die Kehrseite bestimmen Themen wie »Pflegenotstand«, »Finanzierung der Sozialversicherungssysteme«, »Mangelverwaltung« oder »Unter-, Über- und Fehlversorgung«. Die Schere zwi­schen dem Bedarf an gesundheitlichen und pflegerischen Leistungen und den Möglichkeiten der Bedarfsdeckung öffnet sich immer weiter und erzeugt vielfachen gesell­schaftlichen und politischen Handlungsdruck.

Es braucht dringend neue Versorgungskonzepte, um in einer postmodernen Gesellschaft des langen Lebens Ge­sundheit zu erhalten, Erkrankungen vorzubeugen und eine qualitativ hochwertige Versorgung im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit zu organisieren und sicherzustel­len. Experten und Politik sind sich einig, dass »effiziente und wirkungsvolle Krankheitsversorgung sowie Schutz vor überflüssigen, überteuerten oder mangelhaften Angebo­ten und die Förderung des psychischen Befindens ... in einer rohstoffarmen, alternden Hochleistungsgesellschaft immer bedeutsamer für die Innovationskraft der Bevölke­rung [werden]«[3].

Diese Überlegungen führen zu geeigneten Formen der Ausgestaltung moderner Versorgungsarrangements, die zuverlässig und nachhaltig sind. In den Gesundheits- und Dienstleistungsregionen von morgen wurde hierfür das »Netzwerk« als Organisationsform gewählt. »Das Netz­werk bildet ein Potenzial zukünftiger Zusammenarbeit und dieses personenbezogene Beziehungsgeflecht fungiert als kooperationsermöglichende soziale Infrastruktur«[4]. Die Gesundheits- und Dienstleistungsregionen von morgen haben es sich daher zum Ziel gemacht, Gesundheitsversorgung, Mobi­lität und altersgerechte Dienstleistungen an sich verän­dernde gesellschaftliche und bestehende regional unter­schiedliche Strukturen anzupassen sowie neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und miteinander zu vernetzen, um auch in Zukunft lebenswerte Bedingungen zu schaffen und erhalten zu können.

Durch Vernetzung geschieht Evolution[5]. Akteure aus unterschiedlichen Sektoren, die Initiative ergreifen, ihre Kräfte bündeln und sich vor Ort zu­sammenschließen, nutzen das innovative Potential struk­tureller Kopplung: Dadurch verbindet sich das Netzwerk mit seiner Umwelt und kann auf unterschiedliche Bedar­fe flexibel und passgenau reagieren[6].

Gemischte Wohlfahrtsproduktion in Gesundheitsnetzen

Die netzwerkförmige Struktur der Gesundheits- und Dienstleistungsregionen von morgen trägt nicht nur der Grundannahme Rechnung, dass Innovationen und Weiterentwicklung im Gesundheits- und Pflege­bereich nach tragfähigen Kooperationen verlangen. Vielmehr zeigt sich das Potential dieser spezifischen Organisationsform insbesondere dann, wenn man den Fokus auf die Ergebnisse richtet und die vor Ort entwickelten Produkte und Dienstleistungen, aber auch die spezifische Prozesssteuerung betrachtet.

In Gesundheitsnetzen werden neue Produkte und soziale bzw. gesundheitliche Dienstleistungen in einem Mix ent­wickelt bzw. erbracht und folgen »in ihrem Agieren nach außen wie nach innen zunehmend einer Mischung staat­licher, ökonomischer und zivilgesellschaftlicher Logiken«[7]. Dieses Zusammenwirken verschiedener gesellschaftlicher Sektoren bei der Erbringung von (Wohl­fahrts-)Leistungen wird unter dem Begriff »Welfare-Mix« oder »Wohlfahrtsmix« diskutiert.

Gesundheitsdienstleistungen können getrennt, aber auch zugleich in den vier Sektoren der Sozial- und Gesundheitslandschaft erbracht werden. Jeder Sektor hat dabei sei­ne eigenen Zugangsregeln, Funktionslogiken und Werte, nach denen die jeweiligen »kollektiven Akteure« handeln, auch wenn die Übergänge dabei fließend sind.

Der Sektor der primären Netze ist dabei stets beteiligt – sei es als Sektor der Adressat/innen und damit Co-Pro­duzenten oder auch als Pool für Ehrenamtliche und wird damit zu einer sehr wichtigen Ressource für die Erstellung der Dienstleistung. Der Sektor Markt ist vor allem dort re­levant, wo Adressat/innen eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Leistungen haben. In diesem Sektor geht es in besonderem Maße um Wettbewerb und Gewinnmaximierung. Der staatliche Sektor hingegen umfasst neben den staatlichen Einrichtungen (Behörden, Verwal­tung) Gesetzgebung und Politik. In diesem Sektor liegen damit relevante Instrumente der Ressourcenverteilung und staatlichen Fürsorge. Hier werden die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen ebenso gesetzt wie die sozialpoliti­schen. Der Dritte Sektor ist mit seinen Akteuren wie Wohl­fahrtsverbänden, Kirchen, Stiftungen und Vereinen an der Umsetzung sozialer und gesundheitlicher Dienstleistungen maßgeblich beteiligt und folgt dabei besonders zweckge­bundenen Aktivitäten. Soziale und gesundheitsbezogene Dienstleistungen werden hier vorrangig professionell er­bracht. Die ehemals klar nicht gewinnorientierte Wertehal­tung der Kostendeckung verschwimmt mit zunehmendem Ökonomisierungsdruck und einer entsprechenden  Marktorientierung auch in diesem Sektor.

Je nach den lokalen Gegebenheiten sind diese vier Sekto­ren in regionalen Gesundheitsnetzwerken unterschiedlich stark vertreten, was sich nicht nur auf die Organisations­form des Netzwerkes auswirkt, sondern auch spezifische Konzepte der Steuerung erforderlich macht. Die zuneh­mende Verflechtung von Staat, Markt, Zivilgesellschaft und Wohlfahrtspflege führt zu »stark hybridisierten Ge­bilden«[8], in denen Wohlfahrt produziert wird. Dabei ist das Mischungsverhältnis von Beiträgen der genannten Sektoren nicht statisch, sondern kann von Aufgabenfeld zu Aufgabenfeld variieren.

Das Modell gemischter Wohlfahrtsproduktion ermöglicht es, die jeweiligen Sektorlogiken besser zu verstehen, um einen möglichst guten Mix der jeweiligen Interessen und Ziele, Steuerungs-, Organisations- und Kommunikationsformen für die Realisierung von Wohlfahrt in vernetzter Wertschöpfung zu arrangieren. So sind die fünf Gewinner­regionen als »innovative Netzwerke für Dienstleistungen und Gesundheit in Regionen von morgen« angetreten, um mit kooperativen bzw. vernetzten Formen der Zusam­menarbeit im Wettbewerb erfolgreich zu sein. In der allge­meinsten Form handelt es sich bei den Modellregionen um regionale Kooperationen von verschiedenen Akteuren aus den unterschiedlichen Sektoren mit Bezug zur Gesundheit in einer netzwerkeigenen Konfiguration und mit einer spe­zifischen Strategie, die im Projektantrag formulierten Ziele zu erreichen.

 

Rahmenmodell der INDiGeR-Begleitforschung: Gesellschaftliche Ziele[9]

 

Der Produktbegriff

Grundsätzlich dient ein Produkt als Mittel zur Befriedigung von Bedürfnissen. Es wird zum wirtschaftlichen Produkt, sofern es einen ökonomischen Wert im Sinne einer produktiven Leistung hat. Sachgüter weisen im Gegensatz zu Dienstleistungen einen materiellen Charakter auf. Bei solch physischen Produkten handelt es sich hauptsächlich um Konsum- und Industriegüter, die meist in Serien- oder Massenproduktion hergestellt werden. Die Produktion obliegt lediglich dem Hersteller, der Konsum dem Kunden. Die Erstellung  tangibler Güter ist somit von ihrem Absatz trennbar, da die Herstellung vor dem Konsum erfolgt[10]. Bis ins 18. Jahrhundert galt die Dienstleistung nicht als wirtschaftliches Gut. In modernen Dienstleistungsgesellschaften ändert sich dieses Verständnis, weil auch Dienstleistungen dazu dienen, konkrete Bedürfnisse zu befriedigen. Eine Abgrenzung zum Produktbegriff gelingt am besten anhand dreier Merkmale.

  1. Dienstleistungen sind immateriell, lassen sich also nicht greifen
    Dienstleistungen können weder gelagert, noch gespeichert, transportiert oder vor dem Kauf präsentiert werden[11]. Allerdings kommen rein immaterielle Dienstleistungen selten vor, da zumindest die Vorleistung und das Ergebnis einer Dienstleistung meist materielle Komponenten enthalten[12].
  2. Dienstleistungen oder Services sind im Allgemeinen Prozesse, bei denen zwei Personengruppen maßgeblich an der Erstellung beteiligt sind und miteinander arbeiten: der Dienstleistungsanbieter und der Kunde
    Ein eindeutiges Kriterium für eine Dienstleistung ist die Integration eines externen Faktors in den Leistungserstellungsprozess[13]. Der Faktor kann in Form einer Person, die die Dienstleistung in Anspruch nimmt, eines Objekts, an welchem die Dienstleistung vollzogen wird oder vom Kunden beigesteuerter Informationen auftreten[14]. Das bedeutet: Eine Dienstleistung kann nicht ohne den Kunden hergestellt werden, Erzeugung und Verbrauch fallen immer zusammen. Diese Gegebenheit beschreibt das »uno actu«-Prinzip - davon ist die Rede, wenn Herstellung und Konsum untrennbar sind, da die Leistungserstellung und die Leistungsabgabe zeitgleich erfolgen[15].
  3. Dienstleistungsqualität lässt sich nicht unmittelbar messen
    Bei physischen Produkten ist es vergleichsweise einfach, die Qualität anhand konkreter Leistungsmerkmale zu beurteilen und zu messen. Die Qualität einer Dienstleistung hingegen ergibt sich aus vielen Bedingungen und Komponenten bei der Interaktion mit dem Kunden und ist daher komplexer.

Hybride Leistungsbündel: Eine eindeutige Abgrenzung von Produkten und Dienstleistungen gestaltet sich aufgrund definitorischer Vagheit und heterogener Leistungserstellung als zunehmend schwierig[16]. Durch die steigende Relevanz von Dienstleistungen in industriellen Branchen sowie Industrialisierungsprozessen in Dienstleistungszweigen nimmt das Angebot an kombinierten Leistungen zu[17]. Wenn zu einer reinen Dienstleistung noch materielle Komponenten hinzugefügt werden, kann das Dienstleistungsangebot als hybrides Leistungsbündel verstanden werden, das sowohl immaterielle, als auch materielle Aspekte vereint[18].

Produktvielfalt und Serviceinnovationen

Taucht man tiefer in das vielfältige und vielschichtige Feld gemischter Wohlfahrtsproduktion in Gesundheitsnetzen ein, lassen sich die Wohlfahrts-Mixturen in eine Reihe verschiedener Produkte und Dienstleistungen bzw. Services untergliedern.

In modernen Volkswirtschaften sind die Positionierung am Markt bzw. die Wettbewerbsfähigkeit mehr und mehr davon abhängig, dass nicht nur isolierte Produkte angeboten werden, sondern auch darauf abgestimmte bzw. damit einhergehende Dienstleistungen. Um neue Wertschöpfungsformen und damit neue Marktchancen zu schaffen, werden in diesen hybriden Leistungsbündeln Sach- mit Dienstleistungen verknüpft. Derartige hybride Leistungsbündel bieten zum einen die Gelegenheit zur Produktdifferenzierung und einer entsprechenden Positionierung des Anbieters im Wettbewerb[19]. Zum anderen ermöglichen sie kundenspezifische Problemlösungen und erhöhen dadurch den Wert für den Kunden[20]. Und in vernetzten Strukturen fördern sie die gezielte Einbindung und Verknüpfung der für die Leistungserstellung relevanten Akteure aus den eingangs genannten vier verschiedenen Sektoren.

Im Rahmen der Modellerprobung sind in den Gesundheits- und Dienstleistungsregionen von morgen Produkte und Dienstleistungen auf drei unterschiedlichen Ebenen entstanden:

Als soziale Dienstleistungen sind Gesundheitsdienstleistungen Interaktionsarbeit

Soziale Dienstleistungen richten sich speziell an Menschen mit Hilfebedarf und treten in Bereichen wie Gesundheit, Pflege, Erziehung und Bildung oder Beratung und Betreuung auf[21]. Diese Hilfeleistungen orientieren sich an »immateriellen Problemen und den besonderen Lebensumständen des Einzelnen«[22]und folgen der Zielsetzung, »die physische und psychische Lebens- und Erlebnisfähigkeit sowie die Sozialfähigkeit wiederherzustellen oder zu verbessern«[23]. Gesundheitsdienstleistungen sind soziale Dienstleistungen. Sie sind in einem gesteigerten Maße durch Interaktionsarbeit mit und an hilfebedürftigen Menschen gekennzeichnet[24]. Die Produktivität wird zu weiten Teilen von der Qualität der Interaktionsarbeit beeinflusst, wobei zwei Aspekte in den Vordergrund rücken:

  • Die Interaktion mit dem Adressaten bzw. der Adressatin der sozialen Dienstleistung als externer Faktor.
  • Die Qualität der Interaktion bei den Dienstleistungserstellern (Produzenten) und die daraus resultierenden Arbeitsbedingungen, Arbeitsstrukturen und Arbeitsprozesse[25].

Interaktionsarbeit als Kernaufgabe sozialer Dienstleistungen wird in akteursübergreifenden Netzwerken auf quartiersbezogener, lokaler und regionaler Ebene sowie im Organisationskontext sozialer Träger geleistet. In beiden Fällen ist die erfolgreiche Bearbeitung dieser Kernaufgabe auf Koordinationsleistungen angewiesen. Koordination bezeichnet »die Mechanismen der wechselseitigen Abstimmung von Handeln verschiedener Akteure und die Bewältigung damit verbundener Abstimmungsprobleme, Dilemmata und Konflikte«[26]. Koordination ist auf die Bewältigung von Ungewissheit gerichtet, die aus der Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure resultiert. Sie fokussiert sich neben der Planung der zielorientierten Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure auf die Lösung von Kooperationsproblemen[27]. Handlungskoordinierung ist in sozialen Dienstleistungsorganisationen unverzichtbar, um kunden- bzw. klientenbezogene Dienstleistungsangebote unter Berücksichtigung der spezifischen Belange und Interessen externer Akteure und sozialer Anspruchsgruppen, wie Kostenträgern, Aufsichtsinstanzen sowie Politik und Verwaltung zu entwickeln. Sie ist erforderlich, um die Erbringung spezifischer sozialer Dienstleistungen im Rahmen des Dienstleistungsdreiecks zwischen Unternehmen, Beschäftigten bzw. Ehrenamtlichen als Dienstleistungsgeber und Kunden bzw. Klientinnen als Dienstleistungsnehmer[28]  effektiv und effizient abzustimmen.

Ein Produkt- und Dienstleistungsportfolio entwickeln

Für die Klassifizierung von Produkten und Dienstleistungen gibt es in der Literatur eine Reihe von Ansätzen. Die wich­tigsten sind[29]:

  • Personenbezogene (z. B. Beratung, Pflege) versus sachbezogene Dienstleistungen (z. B. Reparatur, Reinigung)
  • Direkte Dienstleistungen (sog. Konsumdienste) versus indirekte, sog. Investitionsdienste (wie Wartung, Sicherheitsdienste)
  • Dienstleistungen aufgrund der Nachfrage privater Haushalte versus infolge industrieller Bedarfe
  • Professionelle Dienstleistungen und andere, die als Lai­endienste prinzipiell nicht an bestimmte, berufsqualifi­zierende Ausbildungsprozesse gebunden sind
  • Dienstleistungen seitens privater versus öffentlicher Anbieter
  • Dienstleistungen, die durch den Leistungsempfänger unmittelbar erworben (»gekauft«) werden, und sol­che, deren Kauf mittelbar durch Dritte finanziert wird«

Jedoch werden in dieser Systematik die in den Gesund­heitsnetzen entwickelten Produkte und Dienstleistungen nur teilweise abgebildet. Denn in den verschiedenen hybri­den Leistungsbündeln drückt sich nicht nur die Besonder­heit von Gesundheitsdienstleistungen als Interaktionsar­beit aus, sondern zeigen sich zudem die Typik gemischter Wohlfahrtsproduktion und die damit einhergehenden Ko­operationsformen, Steuerungsmodelle und Finanzierungs­mixturen.

Zur Entwicklung eines Produkt- und Dienstleistungsport­folios im Rahmen gemischter Wohlfahrtsproduktion in Gesundheitsnetzen ist daher die nachfolgende, erweiterte Systematik hilfreich, die auf vier Kernfragen aufbaut.

  1. Um welche Dienstleistung handelt es sich?
    In der Kategorie des Leistungsinhalts geht es darum, die verschiedenen entstandenen Dienstleistungen bzw. Dienstleistungskomponenten zu kategorisieren und an­hand identifizierter Dienstleistungstypen inhaltlich sowie analytisch zu beschreiben. Dabei werden die entstande­nen Dienstleistungen in verschiedene Dienstleistungsarten (z. B. Schulung, Beratung etc.) unterschieden und bezüg­lich ihres Gesundheitsbezuges (indirekte/direkte Gesund­heitsleistung) beschrieben.
    Davon ausgehend können Aus­sagen zum Grad der Hybridität getroffen werden, indem die Produktbestandteile in Sach- und Dienstleistungskom­ponenten eingeteilt und visualisiert werden. Bei der Typi­sierung von Gesundheitsdienstleistungen können außer­dem Schwerpunkte herausgearbeitet werden.Die Beschaffenheit eines Dienstleistungsbündels richtet sich vor allem nach den Bedarfen und Bedürfnissen der Adressaten aus: An welche Kunden/Adressaten/Konsu­menten bzw. Anspruchsgruppen sich die Leistung richtet, welche gesundheitlichen Ziele mit der Vorhaltung und In­anspruchnahme auf der Mikro-, Makro-, und Mesoebene der Dienstleistung einhergehen und wie der Zugang zu der vorgehaltenen Leistung gestaltet ist (Komm-/Gehstruktur/Voraussetzungen), sind daher wichtige typisierende Merk­male.
  2. Wie wird die Leistung erstellt?
    Bei Produkten und Dienstleistungen, die durch gemisch­te Wohlfahrtsproduktion vorgehalten werden, bedarf es der Beschreibung der Zusammensetzung der Leistungsan­bieter, um die damit verbundenen Rahmenbedingungen, (Teil-)Systemprinzipien bzw. Sektorenlogiken nachvollzie­hen zu können. Fragt man also danach, wie ein Produkt oder eine Dienstleistung erstellt wird, ist zunächst die Fra­ge nach den Leistungserstellern/-erbringern und der Art der Zusammenarbeit bzw. Interaktion relevant. An dieser Stelle wird demnach beschrieben, welche Akteure an der Erbringung des Produktbündels beteiligt sind, in welchen Sektoren sie sich verorten lassen, wie deren Zusammenar­beit im Sinne der Governance gestaltet wird und welche Rolle die Netzwerkarbeit bei der Produkterstellung ein­nimmt.
    Soll ein Produkt oder eine Dienstleistung erstellt werden, bedarf es stets eines Einsatzes bestimmter Ressourcen. Um dies nachzuvollziehen, müssen demnach die intern zur Verfügung stehenden bzw. notwendigen Ressourcen be­trachtet werden. Die Leistungsvoraussetzung (interne Fak­toren bzw. Vorproduktion) bei der Erstellung von Gesund­heitsdienstleistungen umfasst dabei sowohl materielle, zeitliche und personelle Ressourcen, als auch spezifisches Fachwissen und somit geistige Fähigkeiten.
    Neben diesen internen Ressourcen ist bei der Erstellung einer Dienstleistung stets der Adressat bzw. Kunde betei­ligt. Der Integrationsgrad des Kunden ist daher ein wich­tiges Merkmal bei der Beschreibung und Gestaltung des Dienstleistungsprozesses. Welche Anforderungen an den Kunden im Sinne der physischen Anwesenheit, geistigen Beteiligung, Compliance und zeitlichen Einbindung mit der gemeinsamen Erstellung der Gesundheitsdienstleis­tung einhergehen, ist sehr unterschiedlich und dient der weiteren Differenzierung. Eng damit verknüpft ist auch der Leistungsort bzw. Wirkungsraum der Dienstleistung.
  3. Wie wird die Leistung finanziert?
    Fragt man nach der Finanzierung von Dienstleistungen, so unterscheiden sich soziale Dienstleistungen in der Komple­xität ihrer Finanzierungs- und Vergütungskonzepte stark von industrienahen Dienstleistungszweigen. In der Praxis geht gemischte Wohlfahrtproduktion nahezu immer mit mehr oder weniger umfangreichen Finanzierungsmix­turen einher. So muss differenziert werden zwischen der Leistungsbasis, die sowohl gesetzlich oder vertraglich ge­regelt sein kann, und dem Berechnungsmodus. Hierbei ist der Erbringer der Dienstleistung nicht zwangsläufig der­jenige, der die Vorproduktion finanziert und der Adressat der Leistung nicht immer der Kostenträger. Folglich muss bedacht werden, welche Finanzierungsmodelle bei einer Gesundheitsdienstleistung zur Anwendung kommen und ob diese kostendeckend, verlustbringend oder gewinnori­entiert angelegt sind. Auch die Preisbildung ist im Rahmen gemischter Wohlfahrtsproduktion oftmals kompliziert, weil verschiedene Logiken aufeinander treffen. Schließlich bedarf es der Entscheidung, ob die Leistungen vom Ad­ressaten unentgeltlich oder gegen ein Entgelt in Anspruch genommen werden können.
  4. Wie kann die Leistung bewertet werden?
    Gerade bei personennahen Dienstleistungen muss ein besonderes Augenmerk auf der Qualität liegen. Im Falle hybrider Leistungsbündel empfiehlt es sich, für eine Analyse das Bündel aufzuschnüren und die verschiedenen Produkte und Dienstleistungen näher zu betrachten. Einschätzungen im Hinblick auf den Reifegrad, den Standardisierungsgrad und den Komplexitätsgrad der einzelnen Elemente des hy­briden Dienstleistungsbündels zielen auf eine Bewertung auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und Verstetigung bzw. den Rollout der entstandenen Angebote ab. In der Folge muss man sich außerdem Gedanken über ein geeig­netes Qualitätssicherungskonzept machen.

 

 

 

Realisierung neuer Produkte und Dienstleistungen

Bis ein fertiges Produkt entsteht, bedarf es eines vielschichtigen Prozesses, bei dem verschiedene Phasen durchlaufen werden müssen. Der Produktentstehungsprozess beschreibt dabei die Arbeitsabläufe von der ersten Idee für ein neues Produkt, über die Herstellung bis zum Verkauf. In diesem Prozess sind sowohl planerische und informationsverarbeitende Teilprozesse (»Design«) als auch alle Schritte der Herstellung (Produktisierung) inbegriffen[30].

Bei der industriellen Herstellung von Sachgütern sind die  analytische Betrachtung und Optimierung des Produktentstehungsprozesses und dessen Umsetzung durch verschiedene Methoden und Verfahren seit jeher von Interesse. Materielle Güter stehen nach der Fertigstellung weitgehend für sich selbst. Eine Dienstleistung hingegen muss im Hinblick auf ihre spezifische Funktion, Umfang, Qualität und Merkmale vom Dienstleistungsersteller und vom Kunden definiert werden. Dies erhöht die Komplexität des Produktentstehungsprozesses im Hinblick auf Planung, Entwicklung, Umsetzung und Gestaltung.

 

Wie aus konzeptionellen Überlegungen Produkte und Dienstleistungen werden

Der Prozess, in dem aus konzeptionellen Überlegungen Produkte und Dienstleistungen werden, wird mit den Begriffen Produktisierung bzw. Service-Engineering beschrieben. Dabei bedeutet die »Produktisierung« von Dienstleistungen »im Grunde nichts anderes als die Bündelung von standardisierten und modularisierten Leistungen in klar definierten Paketen«[31], deren Erfolg von zwei wesentlichen Schritten abhängt[32]:

  • erstens der Definition eines zielgerichteten Leistungsportfolios und
  • zweitens der Umsetzung mithilfe eines fokussierten Programm-Managements.

Produktisierung

Der Begriff der »Produktisierung« taucht erstmals Mitte der 1990er Jahre in wissenschaftlichen Untersuchungen über IT-Dienstleistungen auf. Dahinter stand die Überzeugung, dass sich diese Dienstleistungen analog zu klassischen Produkten ebenfalls systematisch entwickeln, pro­duzieren und vermarkten lassen.

Inzwischen hat sich der Begriff branchenübergreifend durchgesetzt. Ziel dabei ist es, weg von individuellen Kundenlösungen hin zu einer Entwicklung konfigurierbarer Massenlösungen durch Standardisierung zu kommen. Folglich zielt eine Service-Produktisierung darauf ab, die Effektivität und damit die Profitabilität für den Anbieter zu steigern, indem der Dienstleistungsablauf schneller und kostengünstiger umgesetzt werden kann. Dies wird durch eine Bündelung von standardisierten Leistungen erreicht, die als Kombinationen von klar definierten und spezialisierten Modulen angeboten werden.

Gelingt eine solche Standardisierung hin zu einem Produktportfolio, welches aus Leistungspaketen mit klar definiertem Umfang besteht, ergibt sich für den Anbieter ein Wettbewerbsvorteil, der sich durch höhere Service-Qualität, kürzere Entwicklungszeiten für individuelle Lösungen und einer schnelleren Marktreife auszeichnet.

Service Engineering

Nahezu zur gleichen Zeit wurde neben dem Terminus der Produktisierung der Begriff des »Service Engineerings« als wissenschaftliche Fachdisziplin etabliert. Vor einem ingenieurswissenschaftlichen Hintergrund kommen dabei dementsprechende Vorgehensmodelle, Methoden und Werkzeuge zum Einsatz. Gegenstand ist die »ganzheitliche Gestaltung des Dienstleistungsprozesses bis zum Kunden unter Berücksichtigung der strategischen und organisatorischen Gestaltungsfaktoren«[33].

»Das Service Engineering ist dabei nicht nur für das industrielle Umfeld interessant, sondern für alle Branchen anwendbar«[34]. Allerdings muss im Falle gemischter Wohlfahrtsproduktion die Zielstellung der Effektivitäts- und Effizienzsteigerung um weitere strategische Faktoren ergänzt werden:

Eine in transsektoralen (Werte) Netzwerken praktikable und erfolgreiche Produktentwicklungsstrategie muss neben der Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte hybride Leistungsbündel generieren, die für Adressaten und Erbringer zugleich wertvoll und sinnstiftend sind.

(Social) Service Design

Auch das (Social) Service Design ist ein relativ junges Feld, das auf eine etwa 20-jährige Entwicklung zurückblicken kann. Analog dem Service Engineering hat es die systematische und methodengestützte Entwicklung von Dienstleistungen in der Alltagspraxis zum Gegenstand und zielt dabei sowohl auf eine Neuanlage als auch auf mögliche Innovationen bestehender Dienstleistungen ab. »Neben der Kundenzufriedenheit spielen die persönliche Erlebnisdimension und die Emotionen im Service Design eine große Rolle. Das Kundenkonzept wird um die Dimension der individuellen Bedeutungszuschreibungen der Person erweitert. Die emotionale Ebene wird bei der Leistungsentwicklung und -beurteilung gezielt mit einbezogen«[35]. Folglich werden die Adressatinnen und Adressaten der (sozialen) Dienstleistung nicht auf eine Konsumentenrolle reduziert, sondern in ihren besonderen Lebenslagen ganzheitlich wahrgenommen.

Bislang nutzen Pflege- und Gesundheitswirtschaft das Potenzial von (Social) Service Design – als Möglichkeit zur systematischen und methodengestützten Entwicklung von Dienstleistungen in der Alltagspraxis – kaum[36]. Dabei kann es helfen, komplexe gesundheitsbezogene Bedarfslagen ganzheitlich und tiefer zu verstehen, um adäquate Unterstützungsleistungen zu konzipieren und umzusetzen. Auch einer unreflektierten Übernahme wirtschaftlich angelegter Verfahren und depersonalisierten Effekten wird durch (Social) Service Design entgegengewirkt[37].

Die Grafik greift die verschiedenen Produktisierungsmodelle noch mal auf und stellt sie in den Dimensionen Gegenstand, gesellschaftliche Ebene des Wirkens, Zielrichtung und Methodik gegenüber, sodass Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich werden.

 

 

Quelle: Herold-Majumndar 2016, S.21

Dienstleistungserstellung und -management als Prozess

Ungeachtet des Produkts, der Branche oder der Metho­de durchlaufen Produkte und Dienstleistungen in ihrem Entstehungsprozess die folgenden Phasen: Planung, Ent­wicklung, Konzeptentwicklung, Konzeptkonstruktion, Gestaltung, Dokumentation, Herstellung[38]. Und auch »Vorgehensmodelle des Service Enginee­ring definieren den Dienstleistungsentwicklungsprozess, indem sie die einzelnen Schritte festlegen, die von der Ge­nerierung der Serviceidee bis zur Einführung der marktrei­fen Dienstleistung durchlaufen werden«[39].

 

So vielfältig wie die Dienstleistungen und Dienstleistungs­erstellungsprozesse in den verschiedenen Branchen und Bereichen sind, so unterscheiden sich auch die Vorgehens­modelle mit ihren Unterteilungen und Benennungen der verschiedenen Zwischenphasen. Jedoch geht es bei allen Phasenkonzepten um eine Komplexitätsreduktion der viel­schichtigen Aufgabe von »Dienstleistungsentwicklung«. Um den netzwerkinternen Produktisierungsprozess in den Gesundheits- und Dienstleistungsregionen von morgen zu strukturieren und nachvollziehbar zu machen, ist das nachfolgende Modell zum Einsatz gekommen.

Zunächst bildet das Netzwerk den Rahmen: Produkte und Dienstleistungen werden gemeinsam entwickelt und ge­managt, wobei sowohl die lokalen Strukturen, als auch die Funktionalität des Netzwerkes höchst unterschiedlich sind. In Bezug auf die Produktisierung lassen sich zwei Phasen unterscheiden: die Phase der Ideenfindung und Planung des Produkt- bzw. Servicedesigns und die Phase der Imple­mentierung und des Service-Managements.

Generell handelt es sich beim Produktisierungsprozess um ein dynamisches Vorgehen, bei dem einzelne Phasen in ei­ner anderen Reihenfolge ablaufen und zirkulär wiederholt werden (z. B. Analyse und Test). »Dienstleistungsentwick­lung muss als fortlaufende Aufgabe verstanden werden, um obsolet gewordene Angebote zu substituieren und Wachstumspotenziale durch neue Services zu erschließen. Entsprechend wenden innovationsorientierte Unterneh­men permanent das Vorgehensmodell an, um neue Ideen zu generieren und in marktfähige Leistungsangebote um­zusetzen«[40].

Die Phasen der Produktisierung von Dienstleistun­gen (Services)

Service Design

Zu Beginn der Entwicklung neuer Dienstleistungsprodukte steht zunächst ein Bedarf für die Überarbeitung bestehen­der Angebotsportfolios oder eine Produktinnovation auf Seiten der Anbietenden und/oder der Adressaten bzw. Anspruchsgruppen. Diesen Bedarf gilt es im Rahmen der Definiti­onsphase zu entdecken, zu generieren bzw. festzustellen und zu benennen. Somit wird in der ersten Phase des Service Designs das Augenmerk auf die Idee an sich und die da­mit verbundene Ideenfindung, Bewertung und das damit zusammenhängende Ideenmanagement gerichtet. Bereits hier sollte der Mehrwert der Dienstleistung für die Adres­saten mitgedacht werden.

Neue Ideen und Innovationen müssen sich daran messen lassen, inwieweit sie das Potential haben, adäquate Ant­worten auf bestehende Anforderungen und Bedarfslagen zu bieten. Der nächste Schritt ist daher die systematische Anforderungs- und Bedarfsanalyse, die sowohl auf die ex­ternen wie auch internen Anforderungen abzielt, die bei der Realisierung der Dienstleistung relevant sind und Aus­sagen über die Marktfähigkeit des Produktes erlauben. Die Idee wird auf Grundlage dieser Informationen bewertet. Das Ergebnis der Bewertung kann dabei eine erneute Mo­difikation der Dienstleistung im Sinne dieser ersten beiden Schritte notwendig machen oder aber in den nach diesem Vorgehensmodell dritten Schritt überleiten – die Phase der Dienstleistungskonzeption. Dabei geht es darum, auf Grundlage des ermittelten Bedarfes und der Anforderun­gen das Gesamtkonzept für die Dienstleistung zu entwi­ckeln. An dieser Stelle müssen die einzelnen Dimensionen der Produktidee zu einer spezifischen Dienstleistungsbe­schreibung mit Dienstleistungsprozess- und Umsetzungs­plan entwickelt werden, der ebenso Informationen zu den benötigten Ressourcen, Akteuren, Stakeholdern sowie den Adressaten der Dienstleistung, dem angestrebten Ergebnis und Organisationsaspekten enthält[41]. So entsteht ein Gesamtkonzept, das sämtliche Perspektiven sowie Chancen und Risiken der Dienstleis­tung mit ihrem spezifischen Ressourcenbedarf enthält und die Entwickler dazu befähigt, das Konzept im zweiten Schritt umzusetzen.

 Service Management

Nach der ausgiebigen Planung des neuen Dienstleistungs­produkts geht es im Service Management darum, das Gesamtkonzept umzusetzen. Dazu bedarf es zunächst der Nutzbarmachung der identifizierten finanziellen, per­sonellen, materiellen und zeitlichen Ressourcen, um die notwendigen Rahmenbedingungen zur Realisierung der Dienstleistung zu schaffen. Vor der Markteinführung kann sich zudem ein Vortest anbieten, um mögliche Schwach­stellen zu identifizieren. Sobald das Produkt auf dem Markt angeboten wird, sollten hinderliche und förderliche Fakto­ren innerhalb der verschiedenen relevanten Dimensionen während des Dienstleistungsprozesses im Auge behalten bzw. ggf. durch eine Evaluation ermittelt werden, sodass ein möglicher Optimierungsbedarf im Sinne einer zirkulä­ren Produktentwicklung identifiziert und umgesetzt wer­den kann. „Erst nach Abschluss aller notwendigen Modifi­kationen liegt ein Dienstleistungskonzept vor, das sowohl den Anforderungen der dienstleistungsnachfragenden als auch der dienstleistungsanbietenden Wirtschaftseinheit gerecht wird. Diese Serviceleistung wird nun in der Breite am Markt eingeführt“[42].

 

Dienstleistungsentwicklung systematisieren

»Um die einzelnen Phasen des Vorgehensmodells zielge­richtet und effizient zu durchlaufen, kommen unterschied­liche Methoden zum Einsatz. Dabei handelt es sich um definierte Handlungsanweisungen, die vorgeben, welche Aktivitäten durchzuführen sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen«[43].

Dabei gibt es viele verschiedene denkbare Methoden, die sich für die Service-Produktisierung eignen. So können während der Analysephase beispielsweise qualitative und quantitative Befragungen von Adressaten oder bestimmten Berufs­gruppen sowie die Analyse von wissenschaftlich gesicher­ten Berichten Informationen über Bedarfe und Anforde­rungen bieten. Methoden der Ressourcenermittlung und -planung führen durch den Konzeptionierungsprozess. Case Studies können im Rahmen des Vortests auf Schwie­rigkeiten hindeuten. Innerhalb und neben den Methoden, die während der Dienstleistungsentwicklung zum Einsatz kommen, unterstützen Werkzeuge wie beispielsweise In­formations- und Kommunikationssysteme oder Projektma­nagementsoftware (»Tools«) den Dienstleistungsprozess[44].

Die folgende Matrix dient als Systematisierungshilfe im Dienstleistungsentwicklungsprozess, indem sie die Phasen und die dazugehörigen Aktivitäten im Rahmen der Dienst­leistungsentwicklung aufzeigt. Zudem enthält sie Schlüs­selfragen, die im Rahmen der jeweiligen Phase vom Entwicklerteam beantwortet werden sollten.

 

 

 

 

 

 

Literatur

[1] Statistisches Bundesamt 2015: Bevölkerung Deutschlands bis 2060 - 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/VorausberechnungBevoelkerung/BevoelkerungDeutschland2060Presse.html.

[2] Schäfer-Walkmann, S./Traub, F. 2017: Evolution durch Vernetzung. In: S. Schäfer-Walkmann/F. Traub (Hrsg.): Evolution durch Vernetzung. Wiesbaden, S. 9.

[3] Badura, B. 2011: Geleitwort II. In: Pfaff, H./Neugebauer, E./Glaeske, G./Schrappe, M. (Hrsg.): Lehrbuch Versorgungsforschung. Systematik - Methodik – Anwendung. Stuttgart, S. VII.

[4] Duschek, S./Wetzel, R./Aderhold, J. 2005: Probleme mit dem Netzwerk und Probleme mit dem Management. In: Aderhold, J./Meyer, M./Wetzel, R. (Hrsg.): Modernes Netzwerkmanagement. Anforderungen – Methoden – Anwendungsfelder. GWV Fachverlag. Wiesbaden, S. 148.

[5] Schäfer-Walkmann, S./Traub, F. 2017: Evolution durch Vernetzung. In: S. Schäfer-Walkmann/F. Traub (Hrsg.): Evolution durch Vernetzung. Wiesbaden, S. 9-17.

[6] Schäfer-Walkmann, S./Traub, F. 2017: Evolution durch Vernetzung. In: S. Schäfer-Walkmann/F. Traub (Hrsg.): Evolution durch Vernetzung. Wiesbaden, S. 9-17.

[7] Roß, P.-S. 2017: Governance als Steuerungskonzept für Versorgungsgestaltung im Alter. In: S. Schäfer-Walkmann/F. Traub (Hrsg.): Evolution durch Vernetzung. Wiesbaden, S. 20.

[8] Roß, P.-S. 2017: Governance als Steuerungskonzept für Versorgungsgestaltung im Alter. In: S. Schäfer-Walkmann/F. Traub (Hrsg.): Evolution durch Vernetzung. Wiesbaden, S. 19.

[9] Schäfer-Walkmann, S./Traub, F. 2017: Evolution durch Vernetzung. In: S. Schäfer-Walkmann/F. Traub (Hrsg.): Evolution durch Vernetzung. Wiesbaden, S. 9-17.

[10] Becker, J. et al. 2008: Wertschöpfungsnetzwerke von Produzenten und Dienstleistern als Option zur Organisation der Erstellung hybrider Leistungsbündel. Springer Link.

[11] Meschke, M. 2013: Steuerung in Dienstleistungsnetzwerken. Ein Ansatz für ein integriertes Qualitätsinformationssystem. Wiesbaden.

[12] Evanschitzky, H. 2003: Erfolg von Dienstleistungsnetzwerken. Ein Netzwerkmarketingansatz. Deutscher Universitätsverlag. Wiesbaden.

[13] Gehrmann, K. 2014: Diversifikationsmanagement in Dienstleistungsnetzwerken. Theoretische Fundierung und empirische Analyse. Wiesbaden.

[14] Evanschitzky, H. 2003: Erfolg von Dienstleistungsnetzwerken. Ein Netzwerkmarketingansatz. Deutscher Universitätsverlag. Wiesbaden.

[15] Gehrmann, K. 2014: Diversifikationsmanagement in Dienstleistungsnetzwerken. Theoretische Fundierung und empirische Analyse. Wiesbaden.

[16] Garrel von, J./Tackenberg, S./Seidel, H./Brandt, C. 2014: Dienstleistungen produktiv erbringen. Eine empirische Analyse wissensintensiver Unternehmen in Deutschland. Springer Gabler. Wiesbaden.

[17] Stille, F. 2004: Statistische Aspekte des internationalen Dienstleistungshandels. In R. Kreibich/B. Oertel (Hrsg.): Erfolg mit Dienstleistungen: Innovationen, Märkte, Kunden, Arbeit. Beiträge der 5. Dienstleistungstagung des BMBF. Schäffer-Poeschel Verlag. Stuttgart, S. 109-117.

[18] Meschke, M. 2013: Steuerung in Dienstleistungsnetzwerken. Ein Ansatz für ein integriertes Qualitätsinformationssystem. Wiesbaden.

[19] Stille, F. 2003: Produktbegleitende Dienstleistungen gewinnen weiter an Bedeutung. Wochenbericht des DIW Berlin. Nr. 21/2003, S. 336-342.

[20] Böhmann, T./Krcmar, H. 2006: Komplexitätsmanagement als Herausforderung hybrider Wertschöpfung im Netzwerk. In Wojda, F./Berth, A. (Hrsg.): Innovative Kooperationsnetzwerke. Deutscher Universitätsverlag. Wiesbaden, S. 81-105.

[21] Becke, G./Bleses, P. 2015: Koordination und Interaktion – ein konzeptioneller Rahmen zur Analyse ihres Wechselverhältnisses bei sozialer Dienstleistungsarbeit. In: Becke, G./Bleses, P. (Hrsg.): Interaktion und Koordination. Das Feld sozialer Dienstleistungen. Springer. Wiesbaden; S. 23-54.

[22] Hartmann, A. 2011: Soziale Dienste: Merkmale, Aufgaben und Entwicklungstrends aus der Perspektive soziologischer Theorien. In Evers, A./Heinze, R.G./Olk, T. (Hrsg.): Handbuch Soziale Dienste. Wiesbaden. VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 76.

[23] Hartmann, A. 2011: Soziale Dienste: Merkmale, Aufgaben und Entwicklungstrends aus der Perspektive soziologischer Theorien. In Evers, A./Heinze, R.G./Olk, T. (Hrsg.): Handbuch Soziale Dienste. Wiesbaden. VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 76.

[24] Becke, G./Bleses, P. 2015: Koordinations- und Interaktionsarbeit als Voraussetzungen für die Produktivitätsgestaltung sozialer Dienstleistungen. Zur Einführung. In: Becke, G./Bleses, P. (Hrsg.): Interaktion und Koordination. Das Feld sozialer Dienstleistungen. Springer. Wiesbaden; S. 7-22.

[25] Becke, G./Bleses, P. 2015: Koordinations- und Interaktionsarbeit als Voraussetzungen für die Produktivitätsgestaltung sozialer Dienstleistungen. Zur Einführung. In: Becke, G./Bleses, P. (Hrsg.): Interaktion und Koordination. Das Feld sozialer Dienstleistungen. Springer. Wiesbaden; S. 7-22.

[26] Hirsch-Kreinsen, H. 2005: Wirtschafts- und Industriesoziologie. Grundlagen, Fragestellungen, Themenbereiche. Juventa. Weinheim, S. 17.

[27] Bachmann, G. 2014: Kollegialität. Eine Ethnographie der Belegschaftskultur im Kaufhaus. Campus. Frankfurt a. M.

[28] Dunkel, W./Weihrich, M. (Hrsg.) 2012: Interaktive Arbeit. Theorie, Praxis und Gestaltung von Dienstleistungsbeziehungen. Springer. Wiesbaden.

[29] Bauer, R. 2001: Personenbezogene Soziale Dienstleistungen. Begriff, Qualität und Zukunft. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden, S. 21.

[30] Steinhorst, U. 2005: Entwicklung eines Instrumentariums zur Gestaltung von Systempartnerschaften im Produktentstehungsprozess. Deutscher Universitäts-Verlag. Wiesbaden.

[31] Thoene, M. 2012: Produktisierung – auch für Dienstleistungen ein Muss. http://www.convio.de/produktisierung-auch-fuer-dienstleistungen-ein-muss/.

[32] Fuchs, N. 2010: Innovation durch Produktisierung. http://www.brainguide.de/Innovation-durch-Produktisierung.

[33] Hüttemann, E./Rinke, S./Ernst, G. 2005: Innovative Dienstleistungen. Bilanz im Schwerpunkt Service Engineering. Service Engineering – eine Bilanz nach 4 Jahren Förderung. http://pt-ad.pt-dlr.de/_media/Bilanz_Service-Engineering.pdf, S. 3.

[34] Siegfried, P. 2010: Angewandtes Service Engineering für KMU. Grin Publishing, S. 10.

[35] Herold-Majumdar, A. 2016: Social Service Design & Marketing. Theorie und Kreativwerkstatt sozialer und gesundheitsbezogener Dienstleistungen – für mehr Wert und Wohlergehen in der „Helfer“-Branche. 2. Auflage. Blaue Reihe. Walhalla Fachverlag. Regensburg, S. 20.

[36] Herold-Majumdar, A. 2016: Social Service Design & Marketing. Theorie und Kreativwerkstatt sozialer und gesundheitsbezogener Dienstleistungen – für mehr Wert und Wohlergehen in der „Helfer“-Branche. 2. Auflage. Blaue Reihe. Walhalla Fachverlag. Regensburg.

[37] Herold-Majumdar, A. 2016: Social Service Design & Marketing. Theorie und Kreativwerkstatt sozialer und gesundheitsbezogener Dienstleistungen – für mehr Wert und Wohlergehen in der „Helfer“-Branche. 2. Auflage. Blaue Reihe. Walhalla Fachverlag. Regensburg.

[38] Feldhusen, J./Grote, K.-H. 2013: Der Produktentstehungsprozess (PEP). In: Feldhausen, J./Grote, K.-H. (Hrsg.): Pahl/Beitz Konstruktionslehre. Methoden und Anwendung erfolgreicher Produktentwicklung. Berlin/Heidelberg; S. 11-24.

[39] Bullinger, H.-J./Schreiner, P. 2003: Service Engineering: Ein Rahmenkonzept für die systematische Entwicklung von Dienstleistungen. In: Bullinger, H.-J./Scheer, A.-W. (Hrsg.) 2003: Service Engineering. Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen. Springer. Berlin, S. 72.

[40] Bullinger, H.-J./Schreiner, P. 2003: Service Engineering: Ein Rahmenkonzept für die systematische Entwicklung von Dienstleistungen. In: Bullinger, H.-J./Scheer, A.-W. (Hrsg.) 2003: Service Engineering. Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen. Springer. Berlin, S. 71.

[41] Bullinger, H.-J./Schreiner, P. 2003: Service Engineering: Ein Rahmenkonzept für die systematische Entwicklung von Dienstleistungen. In: Bullinger, H.-J./Scheer, A.-W. (Hrsg.) 2003: Service Engineering. Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen. Springer. Berlin, S. 53-84.

[42] Bullinger, H.-J./Schreiner, P. 2003: Service Engineering: Ein Rahmenkonzept für die systematische Entwicklung von Dienstleistungen. In: Bullinger, H.-J./Scheer, A.-W. (Hrsg.) 2003: Service Engineering. Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen. Springer. Berlin, S. 75.

[43] Bullinger, H.-J./Schreiner, P. 2003: Service Engineering: Ein Rahmenkonzept für die systematische Entwicklung von Dienstleistungen. In: Bullinger, H.-J./Scheer, A.-W. (Hrsg.) 2003: Service Engineering. Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen. Springer. Berlin, S. 74.

[44] Bullinger, H.-J./Schreiner, P. 2003: Service Engineering: Ein Rahmenkonzept für die systematische Entwicklung von Dienstleistungen. In: Bullinger, H.-J./Scheer, A.-W. (Hrsg.) 2003: Service Engineering. Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen. Springer. Berlin, S. 74.